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Oliver Reiser

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In vino vis vitalis - liegt im Rotwein die Lebenskraft? English Italiano

Oliver Reiser

Ist Resveratrol, ein Inhaltsstoff im Rotwein, der Schlüssel zu einem langen Leben? © Chemie-im-Alltag 2007.

Verlängert Rotwein das Leben? Schon seit langem weiß man, dass in bestimmten Gegenden wie in Frankreich oder Italien die Menschen im Durchschnitt länger leben. Vor allem treten dort - auch bekannt als das französische Paradoxon - weniger Herz-Kreislauf Krankheiten auf, wofür als Grund der maßvolle Genuß von Rotwein vermutet wird. Aufsehen erregte bereits 1995 eine Studie der Universität Kopenhagen, nach der bei mäßigem aber regelmäßigem Weinkonsum - vor allem Rotwein - sich das Risiko von Herz-Kreislauf- und anderen Erkrankungen (Senkung des Krebsrisikos, Erhöhung der körpereigenen Abwehr) um fast 50% verminderte. Resveratrol, ein in roten Trauben besonders hoch konzentriertes Polyphenol, wurden diese erstaunliche Eigenschaften zugeschrieben.

Gesundheit und ein langes Leben - zumindest für Mäuse!

Eine Studie1, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Nature publiziert wurde, kam zu dem Schluß, dass Mäuse durch Einnahme von Resveratol trotz Übergwichts aufgrund einer fettreichen Ernährung nahezu genauso lange lebten bei guten Bio-Werten wie ihre sich auf einer fettarmen Diät befindlichen Artgenossen, die die Substanz nicht erhielten. Ohne Resveratrol starben dagegen die übergewichtigen Mäuse deutlich früher an für Fettleibigkeit typischen Krankheitsbildern wie Herzversagen oder Diabetis. Offenbar verhindert Resveratrol die Hochregulation der Mitochondrien-Biogenese, durch die über Sauerstoffradikale der Zelltod ausgelöst wird.

Teurer oder billiger Wein?

Rote Trauben enthalten besonders viele Flavonoide und Polyphenole wie Resveratrol, vor allem in deren Schalen und Kernen. Werden die Trauben daher mit den Kernen gekeltert, was in der Regel als minderwertig erachtet wird, gelangen mehr von diesen Stoffen in den Wein. Aber auch durch den mehrjährigen Ausbau des Weins in Bariquefässern - ein Qualitätsmerkmal - wird dies erreicht, da die sich im Eichenholz befindenden Gerbstoffe, unter anderem Polyphenole, während der Lagerung des Weins herausgelöst werden. Polyphenole - liebevoll auch Vitamin P (P für Polyphenole und Protektion) genannt - halten durch Hemmung des Gefäße verengenden Peptids Endothelin-1 die Kapillaren weit , wodurch sich der positive Effekt für das Herz-Kreislaufsystem erklärt.

Rotweine haben mit etwa 4 mg pro Liter eine 20 bis 30-fach höhere Menge an Resveratrol als Weisswein, vor allem Sorten wie Carbenet Sauvignon oder Pinot Noir nehmen hier eine Spitzenstellung ein. Bei den Weissweinen sind aber auch einige deutsche Rieslingsorten bekannt, die zumindest auf etwa 1 mg pro Liter kommen.

Krebs-vorbeugende Eigenschaften von Resveratrol

Doch Resveratrol scheint noch mehr zu können: Als Antioxidans kann es nicht nur zellschädigende freie Radikale unschädlich machen, es erhöht auch die Aktivitat der Chinon-Reduktase, die in Zellen eingedrungene krebserregende Substanzen in ungiftige Verbindungen umwandeln konnen. Auch die Cyclooxygenase (COX), ein Enzym, das bei der Aktivierung von krebserzeugenden Stoffen eine wichtige Rolle spielt, wird durch Resveratrol gehemmt.

Wahrlich eine erstaunliche biologische Vielfalt, die Resveratrol ausübt. Eigentlich hatte die Natur sich diesen Stoff nur zum Schutz der Trauben ausgedacht: Resveratrol wird von den Trauben besonders bei Verletzung der Beerenhaut oder bei Befall der Trauben mit Pilzen produziert. Dies erklärt auch die höhere Konzentration von Resveratrol in Rieslingweinen, da bei den hierfür verwendeten, spät gereiften Trauben ein moderater Befall mit gewissen Pilzen (so genannter Botrytis Reifeton) gerne in Kauf genommen wird.

Resveratrol in Tablettenform?

Auch wenn Resveratrol besonders in den Blickpunkt geraten ist, sind doch wahrscheinlich die Vielzahl der im Wein enthaltenen Polyphenole und Flavonoide für die hier beschriebenen Effekte verantwortlich. Resveratrol selbst wird extrem schlecht über den Magen aufgenommen, die Einnahme von reinem Resveratrol in Tablettenform wird nicht den gleichen Effekt wie das Trinken von Wein haben, abgesehen davon, dass man sich bei maßvollem Genuss um eine schöne Seite des Lebens bringt.

1 J. A. Baur et al., Nature 2006, 444, 337.

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